Interviews

Meine Geige ist das Instrument, um Gefühle auszudrücken

Diana Tishchenko ist die Solistin in Beethovens Violinkonzert bei der Festspiel-Ouvertüre

 

Sie ist in dieser Saison der „Rising Star“ der European Concerthall Organisation: die ukrainische Geigerin Diana Tishchenko gehört nicht erst seit ihrem 1. Preis beim Pariser Long-Thibaud-Crespin-Wettbwerb 2018 zu den interessantesten Violin-Solistinnen ihrer Generation. Wir trafen Sie zum LKZ-Interview.

 

Diana Tishchenko, in den nächsten Wochen spielen Sie Johann Sebastian Bachs Solo-Partiten im Wiener Konzerthaus, ein Beethoven-Schubert-Mendonza-Recital in Paris, mit Ravel und Chausson sind sie im Gulbenkian-Auditorio in Lissabon und im polnischen Kattowitz. Und zur Eröffnung der Ludwigsburger Schlossfestspiele am 11. Mai treten Sie mit dem Festspielorchester mit dem Beethoven-Violinkonzert auf. Wie fühlt man sich als „Rising Star“ in der Welt der klassischen Musik?

 

Ich versuche, in diese Rolle etwas Neues einzubringen. Ich möchte soviel Emotion wie möglich in diesen fünfzehn Konzerten zum Ausdruck bringen, die mit meinem ECHO-Rising Star verbunden sind.  Nicht nur, wie ich Geige spiele, sondern auch bezogen auf die Städte, in denen ich musiziere in solchen berühmten Konzerthallen wie dem Londoner Barbican, dem Concertgebouw in Amsterdam, der Elbphilharmonie in Hamburg oder dem Athener Megaron, wo ich seit Oktober letzten Jahres aufgetreten bin. Deshalb wechsle ich die Programme sehr schnell und versuche sie auf das Publikum in den verschiedenen Ländern abzustimmen. Auch die Wahrnehmung der Zuhörer auf mich als Künstlerin möchte ich anregen: als Frau, als Solo-Violinistin, als sehr konzentrierte, sehr intime Musikerin.

 

Wie wurden Sie Geigerin?

 

Es begann mit meiner Tante, sie ist selbst Geigerin. Aber um es bis zur international anerkannten Solistin zu bringen, war es ein langer Weg von meiner Kindheit auf der Krim, von Simferopol zu meinem Studium in Kiew und danach an der Berliner Hanns-Eisler-Musikhochschule, wo ich dann auch Konzertmeisterin des Gustav-Mahler-Jugendorchesters wurde, bevor ich meine Solo-Karriere begann.

 

Auf Ihrer Homepage nennen Sie einige Musikerpersönlichkeiten, denen Sie einiges an Können und Inspiration verdanken, darunter Ihren Landsmann Boris Kushniv, den Cellisten Steven Isserlis oder den Pianisten András Schiff. Was haben Sie von ihnen gelernt?

 

Die größte Inspiration verdanke ich den Kammermusikkursen bei Rita Wagner und Ferenc Rados. Boris Kushniv war einer meiner Lehrer, und seine Methode hat mich sehr geprägt. Seitdem betrachte ich meine Geige vor allem als Instrument, als Werkzeug um meine Gedanken und Gefühle in Musik auszudrücken.

 

War Ihre Position als Konzertmeisterin des Gustav-Mahler-Jugendorchesters ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Solistin?

 

Natürlich sind das zwei grundverschiedene Rollen. Aber es war sehr lohnend, damals vor zehn Jahren ein breites Repertoire kennenzulernen, auch was die Klangfarben angeht. Ich wollte mich jedoch individuell ausdrücken, also ging ich ins Risiko. Und als Solistin, oder auch in der Kammermusik, kann ich mich als Person wirklich öffnen, meine Gefühle einbringen. Hinzu kommt eine größere Unabhängigkeit.

 

Haben Sie das D-Dur-Violinkonzert von Beethoven schon öfters aufgeführt, und was verbinden Sie damit?

 

Ja, in China und auch in Frankreich. Für mich bedeutet es Erhabenheit, Reinheit, es hat eine magische Ausstrahlung. Ich sehe da in David Oistrach ein großes Vorbild, wie er es interpretiert: sein Ton, seine Phrasierung, sehr werktreu und eng verbunden mit dem Geist des Komponisten.

 

Letztes Jahr konnte Oksana Lyniv als ukrainische Dirigentin die „Pathétique“ des russischen Komponisten Tschaikowsky nicht aufführen, diesmal steht das Werk zusammen mit Beethoven auf dem Programm des Eröffnungskonzerts. Wie fühlen Sie sich, als ukrainische Solistin, nach einem Jahr russischem Krieg in der Ukraine, in diesem Kontext?

 

Ich lehne solche Diskriminierung völlig ab, ich habe damals auch Oksana geschrieben, dass ich diesen Druck von ukrainischer Seite absolut unfair fand. Kultur ist unsere einzige Möglichkeit, zusammenzukommen. Worauf es ankommt, ist der Wert eines Kunstwerks, und da ist Tschaikowskys „Pathétique“ ein Juwel. Außerdem sehe ich mich nicht in erster Linie als ukrainische Musikerin. Ich habe die Hälfte meines Lebens in Deutschland verbracht, ich habe auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber natürlich sind meine Wurzeln in der Ukraine.